Offener Brief der Stadtverordnetenversammlung der Rolandstadt Perleberg
Offener Brief der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Perleberg an den Ministerpräsidenten Herrn Woidke zur Energiekrise:
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
wir als Stadtverordnete der Stadtverordnetenversammlung der Rolandstadt Perleberg stehen in der Verantwortung für unsere Bürgerinnen und Bürger. Mit großer Sorge beobachten wir die Preisentwicklung im Energiebereich, die rasant fortschreitende Entwicklung der Inflation und die Probleme der Wirtschaft, die sich aus Lieferengpässen und abgerissenen Lieferketten ergeben. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wirken sich globale Geschehen und Krisen unmittelbar und existenziell auf die finanzielle Lage der privaten und öffentlichen Haushalte und Wirtschaftsunternehmen aus.
Die Rolandstadt Perleberg hat in den vergangenen 32 Jahren seit der Deutschen Einheit eine positive wirtschaftliche, soziale und städtebauliche Entwicklung genommen. Perleberg ist Kreisstadt und Mittelzentrum in Funktionsteilung mit unserer Nachbarstadt Wittenberge. Die wirtschaftliche Lage ist stabil, auf 1000 Einwohner kommen ca. 600 Arbeitsplätze. Viele Menschen pendeln ein, um in Unternehmen, Verwaltung, Bildungseinrichtungen und im Gesundheitssystem - in Perleberg ist es der Standort des Kreiskrankenhauses Perleberg - zu arbeiten. Die historische Altstadt ist im Wesentlichen saniert und die Perleberger identifizieren sich mit dieser Perle der Prignitz. In der Stadt hat sich neben einem starken Handwerk die Metallverarbeitung, Agrarwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung etabliert. Die Wirtschaft zeigt sich so stabil wie noch nie und sucht nach Fach- und Arbeitskräften für die Zukunft.
Die derzeitige Energiekrise bewegt auch die Bürgerinnen und Bürger in der Rolandstadt Perleberg. Viele Menschen haben Angst vor der nächsten Gaskostenabrechnung und bangen um ihre wirtschaftliche Zukunft. Viele Unternehmen vor Ort befürchten einen massiven Anstieg ihrer Kosten für Energie und sind damit von Zahlungsunfähigkeit bedroht. Auch die Krankenversorgung im hiesigen Kreiskrankenhaus Perleberg ist existenziell betroffen, denn auch dort sind die steigenden Energiekosten spürbar und werden sich massiv auswirken. Die Mobilität im ländlichen Raum ist mangels ÖPNV abhängig vom Auto. Die rasant steigenden Preise für Kraftstoffe in diesem großflächigen Kreis sind durch die berufstätigen Arbeitnehmer kaum noch bezahlbar.
Wir wenden uns stellvertretend für die Bürgerinnen und Bürger und Betriebe unserer Stadt an Sie, um folgende Fragen an Sie heranzutragen, die aus der Energiekrise resultieren:
- Was kann die Landesregierung für die Sicherung der sozialen Infrastruktur tun?
- Wie können unsere Bürger vor steigenden Energiekosten bewahrt werden?
- Was kann getan werden, um unsere Unternehmen vor drohender Insolvenz zu schützen?
Die Ursache der Energiekrise hängt mit dem Krieg in der Ukraine und den durch die Europäische Union verhängten Sanktionen zusammen. Wir möchten an dieser Stelle klarstellen, dass wir den von Russland begonnen Krieg und die begangenen russischen Kriegsverbrechen in keinem Fall tolerieren. Diese sind abscheulich und verachtenswert. Das Leid der ukrainischen Bevölkerung ist bedrückend und selbstverständlich muss die Ukraine in ihrem Freiheitskampf unterstützt werden. Gleichzeitig gibt es ernst zu nehmende Warner, die auf die Notwendigkeit von Verhandlungen und verstärkte diplomatische Bemühungen hinweisen. Es bedarf einer Lösung des Konfliktes und der Entwicklung einer Perspektive, die Grundlage für die Beendigung der militärischen Auseinandersetzung sein kann.
Ein großer Teil der Gas- und Erdölimporte kommt aus Russland. Die Sanktionen beantwortet Präsident Putin mit einer deutlichen Drosselung der Energielieferungen Russlands. Alle künftigen Entscheidungen müssen stärker die von ihnen ausgehenden Auswirkungen auf die Existenz der Menschen in Deutschland berücksichtigen.
Aktuell sind die steigenden Gaspreise belastend für die Menschen und die Betriebe. Die Mehrzahl der Haushalte heizen mit Gas, viele Unternehmen benötigen Gas für ihre Produktion. Die Gaspreise explodieren gerade und dies führt zu einer Vervielfachung der Zahlungsbeträge in den Gasrechnungen. In der öffentlichen Diskussion sind bereits Rettungsschirme und Preisdeckel. Vor dem Hintergrund, dass die Sanktionen gegen Russland infolge europäischer Verpflichtungen und des europäischen Bündnisses nicht aufgehoben werden können, ist die Preisdeckelung für Wirtschaft und private Haushalte von größter Wichtigkeit.
Wir bitten Sie eindringlich, zur Sicherung des sozialen Friedens und der wirtschaftlichen Stabilität, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten als Ministerpräsident dazu beizutragen, dass die Versorgungsicherheit der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen, die Bezahlbarkeit der Energiekosten, insbesondere des Gaspreises für Heizungen, gewährleistet werden kann und einen eigenen Brandenburger Schutzschirm zu spannen, der Kommunen, die soziale Infrastruktur, kleine Unternehmen und private Haushalte schützt.
Die Bundesrepublik Deutschland, Brandenburg, die Prignitz und Perleberg brauchen einen energiebezogenen Rettungsschirm bzw. eine Deckelung von Energiepreisen, um unsere Lebensgrundlagen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Eine direkte Unterstützung von Haushalten mit kleineren und mittleren Einkommen zur Absicherung der Lebenshaltungskosten ist nötig.
Bitte unternehmen Sie jede politische Anstrengung, geeignete Maßnahmen innerhalb der Landesregierung Brandenburgs umzusetzen und nutzen Sie Ihren Einfluss als Ministerpräsident auf den Bund. Wir sind uns dessen bewusst, dass ein wesentlicher Anteil und Impuls, vor allem die Finanzierung der beschriebenen Maßnahmen, nur durch die Bundesregierung und den Bundestag geleistet werden kann und muss.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, bitte nutzen Sie Ihren Einfluss zum Wohle unseres Landes! Die Lage ist ernst!
Mit freundlichen Grüßen
gez. Rainer Pickert
Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung der Rolandstadt Perleberg
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