Verneigung vor den Opfern
Stolpersteinaktion in Perleberg am 9.11.2020, 18 Uhr
Als der Künstler Gunter Demnig 1992 damit begann, Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus zu verlegen, schien seine Idee den allein 6 Millionen Juden niemals gerecht werden zu können. Ende 2019 verlegte er den 75.000sten Stein und hat mit seiner Initiative erreicht, dass neben Deutschland auch in 24 anderen Ländern Stolpersteine an die Toten erinnern, darunter Sinti und Roma, Homosexuelle, Deserteure. Es ist damit das weltweit größte denzentrale Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus entstanden.
So baten die Perleberger Stadtverordneten 2009 auch um die Verlegung von Stolpersteinen an vier Stellen im historischen Stadtkern. Seitdem begeht die Stadt mit anderen Akteuren, Jugendlichen und Bürgern jährlich am 9. November eine Gedenkveranstaltung für die Opfer des nationalsozialistischen Terrors vom 9.11.1938.
Die sogenannte Stolpersteinaktion beginnt diesmal am Montag, 9.11.2020, um 18 Uhr auf dem Großen Markt und führt zu den vier Häusern am Markt, in der Parchimer Straße, an der Mauer und Am hohen Ende, in denen jüdische Bewohner im Jahre 1938 wohnten.
GymnasiastInnen des Gottfried-Arnold-Gymnasiums hatten in den 1990er Jahren im Stadtarchiv mit der Erforschung der Lebenswege dieser Perleberger Opfer begonnen. Zeitzeugen meldeten sich. Wissenschaftler forschten über die jüdischen Gemeinden und den Judenhof. Inzwischen sind Erinnerungsblättchen für weitere Opfer dazugekommen. Die jüdischen Bewohner in Perleberg waren in den 1920/1930er Jahren assimiliert, sie fielen nicht auf und wurden dennoch unschuldige Opfer einer aufgehetzten Menge. Es waren Nachbarn, Kunden, Schüler und Gaffer, die dem Unglück der Perleberger Juden und Jüdinnen und ihrer Kinder zusahen oder an den Drangsalierungen beteiligt waren, die einer nationalsozialistischen Kundgebung auf dem Großen Markt folgten.
Während des Tages und Abends am 9.11.1938 erlitten diese Menschen Erniedrigung, Raub und Gewalt, anschließend in den meisten Fällen Deportation in ein Konzentrationslager und ihr Ende. In anderen Orten brannten die Synagogen, wurden jüdische Geschäfte geplündert. Ein Perleberger Zeitzeuge sagte 2009: „Die Juden wurden abgeholt und waren am nächsten Tag einfach verschwunden“.
Ihr Tod sollte ihre Vernichtung sein, doch durch das Stolpersteinprojekt entsteht ein Erinnerungsort, werden diese Opfer nach dem Ansinnen Demnigs „an die Orte ihres Lebens zurückgebracht. Sie erhalten, nachdem sie in den KZs zu einer Nummer degradiert wurden, ihre Namen zurück.“ Es ist in Perleberg eine Erinnerungsarbeit von Menschen unterschiedlicher Überzeugungen und Alters, aber übereinstimmenden Bewusstseins: Nie wieder Menschenverachtung und rechte Gewalt in dieser Stadt!
Aus aktuellem Anlass bezüglich der Eindämmungsvorschriften des Covid-19-Virus ist in diesem Jahr von den Teilnehmern zuvor eine Anmeldung und Selbstauskunft bis Freitag, 6.11.2020 in der Stadtinformation notwendig.
Programmablauf:
- Treffpunkt: Großer Markt 11
- Begrüßung durch Frau Jura, Bürgermeisterin Stadt Perleberg
- musikalische Einstimmung
- Putzen des Stolpersteins am Großen Markt 11
Lesung am Stolperstein für Malwine Sternberg
Rose niederlegen
- Putzen des Stolpersteins in der Parchimer Straße 17
Lesung am Stolperstein für Margarete Franke
Rose niederlegen
- Putzen des Stolpersteins An der Mauer 7
Lesung am Stolperstein für Adolf Lewandowski
Rose niederlegen
- Putzen des Stolpersteins Am Hohen Ende 4
Lesung am Stolperstein für Markus Lang
Rose niederlegen
- Musikalischer Ausklang
Bild zur Meldung: Stadt Perleberg | Gedenken mit Rose und Kerze am Stolperstein für Adolf Lewandowski, An der Mauer 7
Fotoserien
Aktion "Putzen der Stolpersteine" (09. 11. 2019)
Eine gemeinsame Aktion der Stadt Perleberg, des Gottfried-Arnold-Gymnasiums, des Bundes der Antifaschisten, der Evangelischen Kirchengemeinde St. Jacobi und allen Bürgern, die keinen Hass wollen und denen die Achtung vor den Mitmenschen, den Religionen und dem friedlichen Zusammenleben zum Demokratieverständnis gehören.
Herausgeber: Prignitz Online TV, veröffentlicht am 06.12.2019
Hintergrundinformationen
In ganz Deutschland brannten am 9.11.1938 Synagogen. Zeitgleich wurden jüdische Bürger in ihren Wohnungen überfallen, gedemütigt, misshandelt und beraubt. Die Geschäfte und Warenhäuser jüdischer Inhaber wurden zerstört und geplündert. In den Tagen danach wurden Juden und Jüdinnen abgeholt und in KZs verschleppt.
Auch in Perleberg fand am 9.11.1938 um 14 Uhr eine Kundgebung statt, während der der NSDAP-Ortsgruppenleiter mit einer Hetzrede dazu aufrief, Perleberg zu einer „judenfreien Stadt“ zu machen. Anschließend wurden Malwine Sternberg, Margarete Franke, die Familien von Adolf Lewandowski und Marcus Lang in ihren Wohnungen von SA und Mitläufern überfallen und misshandelt. Die Wohnungseinrichtungen wurden von Schlägertrupps zerstört. Fast alle jüdischen Opfer dieses Pogroms und der folgenden Vernichtungswellen verloren wenig später auf Deportationen und in KZs ihr Leben.
Seit 2009 erinnern Stolpersteine in Perleberg an die jüdischen Opfer dieses von den Nationalsozialisten initiierten Überfalls auf Bürger jüdischer Religion.
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