Jiddisches, Skulpturales und Musik
Der Perleberger Judenhof stellt sein Frühjahrsprogramm vor
Jiddisch ist die Sprache der osteuropäischen Juden, entstanden, nachdem viele Juden infolge der Pest-Pogrome in Deutschland nach Polen und die Ukraine geflüchtet waren. Für einige war es nichts als „heruntergekommenes Deutsch“, für andere steht sie für die Kultur des „Fiedler auf dem Dach“, des Musicals „Anatevka“ und der Bilderwelt von Mark Chagall.
Erfinder des Tewje dem Milchmann ist Scholem Alejchem, einer der jiddischen Autoren, die der in der Prignitz lebende Lyriker und Essayist Jürgen Rennert ins Deutsche übertragen hat. Wer Jürgen Rennert jemals beim Vortragen seiner jiddischen Nachdichtungen erlebt hat, weiß, welch ein Genuss es ist, seiner, an den Widersprüchen geschulten jüdischen „Denke“ zu folgen, zumal er es versteht, sie mit abgründiger „Chuzpe“ vorzutragen. So wird sie für Augenblicke wieder lebendig, die Welt der untergegangen Schtetl-Kultur.
Drei Lesungen sind geplant, die der Perleberger Kulturverein tontechnisch aufzeichnen will, um etwas von der zerstörten Kultur zu bewahren. Dazu zeigt er Skulpturen und grafische Arbeiten von Wieland Schmiedel.
Der bei Schwerin lebende Bildhauer ist, wie er sagt, in der Dreifarbenlehre großgeworden. Seine Eltern waren Braun und wurden nach 45 Schwarz, während sie ihren Knaben in die Rote Schule schickten. Daraus entsteht Nichts, das zum dekorativ sein taugt. Seine Arbeiten leben von der Reibung, diese macht Nachdenken. Man findet sie entlang von Todesmarsch-Strecken ebenso wie in der Skulpturengalerie Dresden, dem Schweriner Museum und der Nationalgalerie Berlin. Er legt Substanz frei, Liebe und Leid, Verletzlichkeit und Tod, Unterdrückung und Macht, zwischen sich Erinnern und einem, wie auch immer gearteten Vergessen.
„Der Schritt“ heißt die zentrale Figur der Ausstellung im Judenhof. Sie geht voran, auch wenn es ihr sichtbar schwer fällt – ein „Hoffnungszeichen“, wie Schmiedel meint. Seine Sympathie für das Vorhaben Judenhof in Perleberg hat ihn dazu bewogen, der Stadt seine Plastik „Menora“ zu schenken. Den siebenarmigen Leuchter der Juden, der lange im Berliner Dom stand und nun im Judenhof seinen Platz findet.
Zum Beginn der Veranstaltungsreihe liest Jürgen Rennert im Dialog mit der Solo-Cellistin Christina Meissner („klangwerkstatt weimar“). Sie formt Musik aus den ehemals jiddischen Texten und schließt die Eröffnung mit einem kleinen Konzert ab. Ein sicherlich seltenes Hörerlebnis.
Eröffnung und Start der Veranstaltungsreihe am 13. April um 18:00 Uhr im Judenhof, Parchimer Straße 6a, 19348 Perleberg.
Am Samstag, dem 28. April, um 19:00 Uhr folgt eine literarisch-musikalische Inszenierung mit jiddischen Volksliedern. Ausgeführt von Jürgen Rennert (Lesung), Birgit Bockler (Gesang) und Hans-Hendrik Wielgosz (Klavier). Die dritte Lesung findet am Freitag dem 25. Mai um 19:00 Uhr mit Texten von Israil Bercovici und Mark Rasumny statt.
Der Eintritt ist frei, der Kulturverein erwartet Spenden zum Austritt. Gefördert ist die Reihe von der Brandenburger Landeszentrale für politische Bildung.
Bild zur Meldung: Plakat zur Veranstaltung
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