Rathausgalerie: Innere Einkehr und äußere Erschöpfung in Santiago de Compostela
Neue Ausstellung in der Rathausgalerie Perleberg vom 18.8. bis 13.10.2017
Fotografien zum Nachdenken über Religiosität im 500. Reformationsjahr von Dr. Wolfram Hennies
Ausdruck der Jacobus-Verehrung findet man auch in Perleberg. Zeitgleich mit der Entstehung der Stadt bauten die ersten Siedler ihr Gotteshaus, die Jacobi-Kirche, welche sie nach und nach zum größten Bauwerk der Stadt erweiterten und ausschmückten.
Seit dem Mittelalter ist Santiago de Compostela ein Sehnsuchtsort der christlichen Gläubigen. Wie man an die Grabstätte des Heiligen Jacobus gelangt, ist den meisten Pilgern ein inneres Bedürfnis: zu Fuß über den Jacobsweg. Dessen Ziel ist für die Christen nicht nur nach Jerusalem die zweitwichtigste Pilgerstätte in der Kathedrale, welche im 11. Jahrhundert errichtet wurde, sondern auch die Kontemplation der Gläubigen, die sich aus allen Teilen Europas auf den Weg machen. Hier mischen sich Katholiken und Ausgebrannte, Protestanten und Touristen. Tausende erreichen täglich den großen Vorplatz der Grabeskirche des Heiligen Jacobus. Erschöpft und von körperlicher Anstrengung zerschunden, aber auch eigenartig beseelt vom Hochgefühl, die Strapazen bewältigt zu haben und die Zweifel, an der physischen Kraft zu scheitern, überwunden zu haben. Es bleibt in den Tagen der eintönigen Bewegung viel Zeit zum Nachdenken über sich, Gott und die Welt.
Wer kennt ihn nicht, den flotten Spruch „Ich bin dann mal weg!“ – die Sehnsucht, allem zu entfliehen, auszusteigen, sich sorglos zu entfernen, alle Last abzuwerfen, mit sich allein, sich frei zu laufen.
Sieht man die Pilger, die auf den letzten Kilometern parallel an der Fern-verkehrsstraße in sengender Hitze durch Staub und über Schotter rhythmisch voranschreiten, versteht man deren Motive kaum, sich dieser Anstrengung wochenlang auszusetzen, karge Unterkünfte in Kauf nehmend, nichts als erbarmungslose Landschaft, denn es erwartet sie am Ziel eine unüberschaubare Menschenmenge an der Basilika, stundenlanges Anstehen in der Kirche, um die Heiligenfigur dann kurz von hinten umarmen zu dürfen, bevor der Nachfolger drängt. In der Stadt touristischer Nippes und Sakralkitsch, volle Restaurants, verstopfte Straßen, Häuserschluchten und barocke Protzbauten. Aber die Heiligkeit ist allerorten. So hätte Wilsnack auch werden können.
Wer von hier den Rückweg seiner Pilgerreise antritt, empfindet Gemein-schaft und Sinn des Lebens, kommt gestärkt zurück. Offenbar ist das größte Geschenk die Relativierung des eigenen Ichs und aller umge-benden Dinge.
Die Ausstellung im Perleberger Rathaus ist vom 18.8. bis 13.10.2017 zu sehen. Sie ist Teil des diesjährigen Reformationsgedenkens „Religionen-Reformation-Räume“.
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